72 Produkte Made in Germany im Test: Die Hälfte überzeugt

Jahrbuch für 2015 | Autor: Maren Klein | Kategorie: Freizeit und Technik | 10.10.2014

Nur weil "made in Germany" draufsteht, muss das Produkt nicht vollständig in Deutschland gemacht sein.
Foto: Saeedatun/Shutterstock

"Made in Germany" steht für Qualität, Langlebigkeit, deutsche Ingenieurskunst. Dafür - und in der Hoffnung, etwas für Arbeitsplätze im eigenen Land zu tun - zahlen Kunden gerne mehr. Wir haben 72 Hersteller gefragt, wie viel "Germany" in ihrem Produkt steckt. Knapp die Hälfte hat bewiesen: jede Menge.

Die deutsche Industrie wirbt gerne mit "made in Germany". Denn beim Kunden weckt es nicht nur das Gefühl, ein gutes, durchdachtes Produkt zu kaufen, sondern auch die Hoffnung, dass es hierzulande unter einigermaßen akzeptablen Arbeitsbedingungen hergestellt wurde. Burladingen ist nun mal nicht Bangladesch.

Gleichzeitig hat sich langsam herumgesprochen, dass selbst in Produkten, die als "made in Germany" beworben werden, ein gehöriger Anteil an China oder Polen stecken kann. Und ist es in einer globalisierten Welt nicht ganz normal, dass komplette Bauteile aus dem Ausland zugekauft oder Fertigungsprozesse in Länder mit günstigeren Arbeitslöhnen ausgelagert werden?

Wie viel deutsche Produktion steckt in "made in Germany"?

Eine feste Regelung, ab wann ein Produkt als "made in Germany" beworben werden kann, gibt es nicht. Lediglich aus Gerichtsurteilen lassen sich Hinweise ableiten. Zuletzt legten die Richter des Düsseldorfer Oberlandesgerichts die Sache sehr frei aus: Was zählt, sei die allgemeine Verkehrserwartung, also das, was der durchschnittliche Verbraucher von einem Produkt erwartet. Bei einem Besteckset, auf dem ein "made in Germany" prangt, darf demnach das Messer nicht aus China stammen. Und bei einem Kondom genügt es nicht, dass es in Deutschland eingesiegelt, kontrolliert und verpackt wurde, erklärten die Richter des Oberlandesgerichts Hamm.

Auch der Zollkodex der EU bietet Herstellern Orientierung. Entscheidend für die Herkunftsbezeichnung ist demnach der Ort, an dem das Produkt der "letzten wesentlichen Be- und Verarbeitung" unterzogen wurde.

Wir sind der Frage nachgegangen, wie viel Deutschland tatsächlich in Produkten steckt, die das "Made in Germany"-Label tragen oder deren Hersteller sonst irgendwie den Anschein erwecken, in Deutschland zu produzieren. Im Test: 72 Produkte von A wie Abus bis Z wie Zwilling.

Das Testergebnis: Wo sind die Produkte hergestellt worden?

Made in Germany? Mal stimmts, mal nicht. Die Herkunftsbezeichnung fanden wir sowohl auf Produkten, die von vorne bis hinten in Deutschland hergestellt wurden, als auch auf solchen, bei denen eben nur ein kleiner Teil der Fertigung in der Bundesrepublik stattfand.

Einige Fälle für die doppelte Staatsbürgerschaft: Das Baumwollgemisch, aus dem ein Spaghettiträgerhemd hergestellt wird, wurde in Deutschland gestrickt und ausgerüstet. Doch zusammengenäht wurde das Hemdchen in Ungarn.

Ganz ähnlich sieht es bei der Bettwäschegarnitur und dem Frotteehandtuch aus: Hier erfolgt die Konfektion in der Slowakei beziehungsweise Tschechien. Beim Vorhangschloss stammen wesentliche Teile aus China: Zylinder und Schlüssel werden von einem Ableger im Reich der Mitte, in Shenzhen, hergestellt, von dort nach Wetter an der Ruhr transportiert und verbaut.

Aus China stammen auch die Hüllen für die Kassettendecke, in die man bei der Oberbadischen Bettenfabrik in Lörrach die hier aufbereiteten Entendaunen stopft. Und der Playmobil-Polizist, der auf dem Polizeimotorrad sitzt, hat sich als Malteser herausgestellt. Nur seine Maschine wurde in Deutschland hergestellt. Nichts gegen Malteser - aber in so einem Fall sollte man eben nicht mit einem "Made in Germany" werben.

Viele Bettwäschesets werden damit beworben, in Deutschland hergestellt zu sein. Was man nicht ahnt: Das Gewebe kommt hier gerne mal aus sonstwo. Ein Hersteller etwa importiert für seine Bettwäschegarnitur Baumwollgewebe aus Pakistan. Und der Stoff, aus dem ein Bettbezug ist, stammt aus Thailand, ebenso wie bei einem weiteren Produkt. Entworfen, bedruckt, zugeschnitten und genäht wird jeweils in Deutschland. Die Webstühle stehen woanders. Uns ist das ein bisschen zu wenig "Germany".

ÖKO-TEST vergibt Punktabzüge für Intransparenz

Wir haben bei den Herstellern Nachweise angefordert, etwa Rechnungen oder Lieferbescheinigungen, die nachvollziehbar machen, woher sie ihre Materialien oder Bauteile beziehen. Darüber hinaus wollten wir wissen, welche Fertigungsschritte an einem Produkt durchgeführt werden. Viele Hersteller beriefen sich auf ihr Betriebsgeheimnis - und das, obwohl wir absolute Diskretion zugesichert haben und natürlich keinesfalls Details zu den Lieferanten veröffentlicht hätten.

Für so wenig Transparenz gibts Punktabzug. Auch für die eine Firma, die uns schreibt, sie sei eines der letzten, "wenn nicht sogar das letzte Unternehmen", welches das Produkt in Deutschland produziere. Wir konntens anhand der Unterlagen, die uns vorgelegt wurden, leider nicht nachvollziehen.

Keine Antwort ist auch eine Antwort

Ausgerechnet etliche Traditionsfirmen teilten uns mit, dass sie unsere Fragen zur Herstellung nicht beantworten möchten. Etwa der Hersteller des Bobbycars, auf dessen Umkarton ein großes "Made in Germany" prangt. Ein Textilhersteller wirbt zwar online mit hochwertigster Qualität "Made in Germany", teilte uns aber mit, das Produkt sei nicht "made in Germany", das würde so auch nicht kommuniziert. Aha!

So reagierten die Hersteller

Karl-Ernst Ross, Chef der Ross Textilwerke, wunderte sich zunächst, wie das Label "Made in Germany" auf ein recht günstiges 12,95-Euro-Geschirrtuch von Kaufhof kommen konnte. Dann ging er der Sache nach: "Infolge eines ,Betriebsunfalls' sind im vergangenen Jahr 2013 nur 759 Tücher des Artikels mit einer falschen Dekopapplasche versehen worden. Der hier aufgedruckte Hinweis ,Made in Germany' ist unrichtig!" Inzwischen, erklärt Ross, habe man alle diese Tücher zurückgerufen.

Vorwerk erklärte bis vor Kurzem auf der Unternehmenswebseite unter dem Stichwort "Produktionsstandorte", dass in Wuppertal "Forschung, Entwicklung und Produktion des Kobold" stattfinden. Wir kauften also den Kobold VC100 Akkustaubsauger ein - der Beginn eines großen Missverständnisses. Denn dieser, erklärte Vorwerk, werde, anders als sein großer Bruder, der Kobold VK150, nicht in Wuppertal, sondern in China hergestellt. Inzwischen hat Vorwerk den Eintrag online geändert.

So wertet ÖKO-TEST

Smiley gelb, ganz:

Der Hersteller hat offen über seine Herstellung informiert und hält sein Versprechen "made in Germany".

Smiley gelb, halb:

Die wesentlichen Fertigungsschritte erfolgen in Deutschland. Allerdings bezieht der Hersteller wichtige einzelne Bestandteile aus dem Ausland, obwohl sie aus Deutschland stammen könnten.

Smiley grau:

Der Hersteller hat sich zurückhaltend gezeigt, was die Herkunft von Rohstoffen, Bauteilen, Materialien angeht, Nachweise wurden nicht erbracht. Oder er hat einen wichtigen Fertigungsschritt im Ausland erledigen lassen - beispielsweise indem das fertige Baumwollgewebe zugekauft wurde.

Smiley rot:

Der Hersteller hat gar nicht erst geantwortet. Oder er ist uns wesentliche Informationen schuldig geblieben, sodass nicht nachvollziehbar war, welche Fertigungsschritte tatsächlich in Deutschland erfolgen. Rot gibt es auch für Hersteller, die ausschließlich in Drittländern produzieren oder wesentliche Fertigungsschritte ausgelagert haben, sodass man unserer Ansicht nach nicht mehr von "made in Germany" sprechen kann.

Weiterlesen auf oekotest.de: 

Wir haben diese Produkte für Sie getestet

Testverfahren

Der Einkauf: Ziel war es, sowohl Produkte von großen und bekannten Firmen als auch von kleineren Anbietern unter die Lupe zu nehmen. Herausgekommen ist eine bunte Mischung aus 72 Produkten. Bedingung: Auf dem Produkt oder im Internet wird angegeben, dass in Deutschland produziert wird - oder der Hersteller hat es uns direkt gesagt.

Produktion und Transparenz: Wer ein Produkt mit dem Herstellungsland Deutschland bewirbt, sollte auch nachweisen können und wollen, dass dem tatsächlich so ist. Wir haben allen Herstellern einen Fragenkatalog geschickt, um zu erfahren, woher sie ihre Rohstoffe, Materialien oder Bauteile beziehen, welche Fertigungsschritte für die Herstellung ihres Produkts nötig sind und natürlich, wo diese erfolgen. Ergänzend baten wir um Nachweise dafür.

Die Bewertung: Bewertet wurde zum einen, wie transparent ein Hersteller Auskunft über seine Produktion gibt. Zum anderen, inwiefern die wesentlichen Fertigungsschritte tatsächlich in Deutschland stattfinden. Welche Fertigungsschritte "wesentlich" sind, machten wir nicht an Wertschöpfungstiefe oder Ähnlichem fest, sondern daran, was man als durchschnittlicher Verbraucher von einem Produkt erwartet. Schwierig wird es beispielsweise, wenn der Stoff, aus dem ein Bettwäscheset hergestellt wird, aus Thailand bezogen wird, denn dahinter steckt ein wichtiger Arbeitsschritt. Nicht bewertet wurde die Herkunft der Rohstoffe selbst - Baumwolle wächst nun mal nicht in der Eifel. Statt Noten vergeben wir dieses Mal Smileys.

Bewertungslegende

Ganzer gelber Smiley: Herkunft von Rohstoffen, Bauteilen, Materialien wurde offengelegt sowie Nachweise dafür erbracht. Die Fertigungsschritte wurden off engelegt. Die wesentlichen Fertigungsschritte erfolgen in Deutschland.

Halber gelber Smiley: Herkunft von Rohstoffen, Bauteilen, Materialien wurde offengelegt sowie Nachweise erbracht. Die Fertigungsschritte wurden offengelegt. Die wesentlichen Fertigungsschritte erfolgen in Deutschland. Wichtige einzelne Bestandtteile (hier: Kessel inkl. Heizung bei einem Dampfreiniger; Füllung eines Kissens; Stiel einer Stielkasserolle; Glaseinsatz einer Isolierkanne) werden aus dem Ausland bezogen.

Grauer Smiley: a) Herkunft von Rohstoff en, Bauteilen, Materialien wurde nicht oder nur teilweise off engelegt (teilweise = Nennung des Landes, keine Angabe zu Lieferant/Hersteller) und nicht oder nur teilweise durch Nachweise belegt; die Fertigungsschritte wurden off engelegt; b) die wesentlichen Fertigungsschritte erfolgen in Deutschland, allerdings werden Halbfertigprodukte aus dem Ausland bezogen (hier: Rohgewebe bei Bettwäsche, Textilien eines Badeanzugs; Leder und Futter eines Portemonnaies).

Roter Smiley: a) Anbieter hat nicht geantwortet; b) wesentliche Fertigungsschritte werden im Ausland durchgeführt (hier: Zylinder und Schlüssel bei einem Vorhangschloss; Tasche bei einem Einkaufswagen; Konfektion bei Textilien; Herstellung der Hüllen für eine Bettdecke; einzelne Kunststofffiguren in einem Set; Stanzen und Nähen des Lederteils eines Schuhs); c) die Fertigung findet ausschließlich im Ausland statt; d) Herkunft von Rohstoffen, Bauteilen, Materialien wurde nicht oder nur teilweise offengelegt (teilweise = Nennung des Landes, keine Angabe zu Lieferant/Hersteller) und nicht oder nur teilweise durch Nachweise belegt sowie die Fertigungsschritte nicht oder nur teilweise off engelegt.

Testmethoden

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Einkauf der Testprodukte: November – Dezember 2013.

Tests und deren Ergebnisse sind urheberrechtlich geschützt. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags dürfen keine Nachdrucke, Kopien, Mikrofilme oder Einspielungen in elektronische Medien angefertigt und/oder verbreitet werden.

Diesen Test haben wir bereits im ÖKO-TEST Magazin März 2014 veröffentlicht. Aktualisierung der Testergebnisse/Angaben für das Jahrbuch für 2015 sofern die Anbieter Produktänderungen mitgeteilt haben oder sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse die Bewertung von Mängeln geändert oder wir neue/zusätzliche Untersuchungen durchgeführt haben.

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